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Reflektionen II
Remix von Hugo Ernst Käufers Textlesung Augapfeltiefe
In seinem Textzyklus Augapfeltiefe lenkt Hugo Ernst Käufer den Blick auf das Sehen selbst. Facettenreich
nimmt er die Aspekte der optischen Sinneswahrnehmung ins Visier – mit den Mitteln der Sprache, die
wiederum in erster Linie akustisch sind.
Schriftsteller schreiben, in diesem Fall kurz nach einer Augenoperation mit Riesenbuchstaben und der Nase auf
dem Blatt, und dass Hugo Ernst Käufer diesen Text für eine akustische Dokumentation selbst ins Mikrophon
gesprochen hat, macht auf diesem Hintergrund einen besonderen Sinn.
Schon vor der Aufnahme entstand die Idee, über die Lesung hinaus die angesprochenen Vorgänge und Parameter des
Sehens musikalisch-kompositorisch widerzuspiegeln. Dies findet auf mehreren Ebenen statt:
Physikalisch-physiologisch sind Tonschwingungen vorstellbar als um etliche Oktaven nach unten transponierte
Lichtwellen, und damit lassen sich Phänomene wie Unschärfe, Spiegelung, Helligkeit und Dunkelheit unmittelbar
in den akustischen Bereich übersetzen. Ebenso sind Vorgänge wie „Augenblicke”, „durch die
Lupe betrachten” oder „in einem anderen Licht sehen” als Hörerfahrungen darstellbar.
Musikalische Komposition arbeitet seit jeher mit Metaphern, die genau auf dieser Basis funktionieren.
Psychologisch und seelisch ist es die Bedeutung dieser Metaphern und Bilder, die für uns so wichtig ist. Es
gibt Augenblicke, die begleiten und prägen uns ein Leben lang, andere sind sofort wieder vergessen –
manche sind vergessen geglaubt und tauchen nach Jahrzehnten wieder auf.
Hier gilt es, Prioritäten zu setzen. So hat mich zum Beispiel eine Gedankenkette besonders berührt, die von
dem kleinen Jungen mit der Holzeisenbahn zu dem jungen Flakhelfer, der bei einem Fliegerangriff auf den Zug im
Lünener Bahnhof sterben musste, führt. Der Augenprofessor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität spielt
dagegen in meiner Bearbeitung keine Rolle.
Die vorliegende Komposition ist keine Textvertonung im traditionellen Sinn, eher eine Verklanglichung mit
Mitteln der elektronischen Sprachkomposition oder, neudeutsch, ein Remix.
Sie verwendet als Ausgangsmaterial ausschließlich die Stimme Hugo Ernst Käufers, einziges Fremdmaterial (z. B.
für die Einstellung von Filterfrequenzen) ist Friedrich Silchers Melodie zu Heinrich Heines Gedicht
Lorelei („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten”).
Die sprachliche Vorlage wird gleichsam durch meine kompositorische Linse auf eine musikalische Netzhaut
projiziert und zu eigenen Hör-Bildern verarbeitet, die Hugo Ernst Käufers Text mit meinen Mitteln reflektieren.
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