VITA ► WERKE ► C. KAMMERMUSIK . . ► Gelb & Blau
Blau
Die Farbe Blau wird oft mit Weite, Offenheit und Kühle assoziiert.
Das Wort time, welches gegen Ende der Choreographik auftaucht, rührt natürlich vom Titel der
ursprünglich zu Grunde liegenden Musik – dem Stück Time von Pink Floyd – her, die Zeit ist
aber auch eine der Dimensionen, die uns beim Blick in den Himmel (eigentlich ist er ja nur am Tage blau und das
auch nicht immer) im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge fällt.
Thomas Zehnters abstrakte Farb- / Formkomposition hat mich zu einer weitgehend strukturierten musikalischen
Interpretation angeregt – also gewissermaßen „kalkulierend ins Blaue hinein” zu komponieren.
Die im entstehenden Bild angelegte Zeitlichkeit bietet dafür eine Richtschnur, an der sich die Musik entlang
entwickelt – sowohl verdoppelnd (Bewegung im Bild entspricht Bewegung in der Musik) als auch
kontrapunktisch (Bewegung in der Musik, während das Bild stillsteht, und umgekehrt).
An zwei Stellen ist diese Kontrapunktik besonders sinnfällig:
Zu Anfang bringt die Choreographik 20 Sekunden lang eine weiße Fläche (sozusagen die leere Leinwand), während
dieses Zeitraums läuft die Musik des gesamten Stückes im komponierten Zeitraffer ab, exemplarische Stellen
werden genau proportional positioniert.
Mit dem Erscheinen des Wortes time steht das Bild etwa bei Minute 3 für 30 Sekunden still – Zeit
für ein kleines Fugato (tempus fugit), dessen Zeitorganisation aus dem proportional gestauchten Rücklauf der
bis dahin abgehandelten 3 Formteile hergeleitet ist.
Die Behandlung von Tonhöhen, Dynamik und Panoramaverteilung hat auch etwas mit „Zeit” zu tun –
und zwar über die Metapher der Uhr mit ihrem Ziffernblatt (für Musiker eine anschauliche Eselsbrücke zum
Quintenzirkel). Aus den 3 Tönen, die im Newtons Farbenkreis den Ausschnitt von Grünblau bis Violett
repräsentieren (a, h und c), wurde über motivische Spiegelungen eine (und für das Fugato eine zweite)
12‑Tonreihe entwickelt und in Lautstärkenwerte (dB bzw. MIDI−Velocity) und Panoramapositionen übersetzt.
Diese Art der „strengen”, für manche vielleicht (zu?) „konstruierten” Komposition
schafft interessanterweise doch eine Menge Freiraum für klangliche und rhythmische Assoziationen – wie
zum Beispiel Akkorde und Rhythmen, die aus dem Cool-Jazz entlehnt scheinen, einer Musik, die ich ebenfalls als
sehr „blau” empfinde.
▲