Meine Arbeitsweise beim Komponieren
Meine ersten Stücke habe ich mit der Gitarre für die Gitarre komponiert und auch selbst gespielt.
In den 1970er Jahren kam im Studium der übliche Fächerkanon für angehende Komponist*innen hinzu.
Der Unterricht bei Wolfgang Hufschmidt hat mir seitdem völlig neue Horizonte eröffnet.
Für das eigene Instrument zu komponieren hat den Vorteil, nah am Klang zu arbeiten. Kammermusik oder Orchesterstücke
brauchen sehr viel Vorstellugskraft im Kompositionsprozess.
Damals haben wir wie unsere Kolleg*innen vor uns mit Stift auf Papier notiert. Spannend war immer wieder, ob das,
was wir da an neuer Musik aufgeschrieben hatten, auch gut klingt (oder manchmal auch, ob es sich überhaupt spielen
lässt!) – Fragen, die oft erst in den Proben zu Aufführungen beantwortet wurden.
Computer wurden zwar schon seit den 1950er Jahren zur Klangsynthese und im Folgenden auch zur programmgesteuerten
Komposition eingesetzt, doch erst mit der Einführung des MIDI Standards 1981 gab es eine Annäherung an die Arbeit
mit herkömmlichen Musikinstrumenten.
Eigentlich hatte ich gerade erst begonnen mich in (für mich) unerforschte Weiten vorzuwagen – an Computer
hatte ich einen damals utopisch anmutenden Wunsch: das, was ich in Noten aufschreibe, soll möglichst sofort auch
für mich und andere hörbar sein!
Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis aus den besseren Rechenmaschinen Digitale Audio Workstations geworden waren,
die die enormen Datenmengen von Sound-Datenbanken in Echtzeit mit differenzierten Notationsprogrammen so verknüpfen,
dass auch Partituren für große Ensembles klanggetreu hörbar werden.
Ich hatte das große Glück, Anfang der 2000er Jahre mit solchen damals noch sündhaft teuren DAWs und professioneller
Software arbeiten zu können. Mittlerweile sind diese Arbeitsumgebungen kompakter, leistungsstärker und auch
erschwinglicher geworden.
Heute ist es mir möglich auch größere Projekte vom Konzept bis hin zur fertigen Audioproduktion digital auszuarbeiten
(siehe dazu auch meine Ausführungen zu 11 'fifty−two).
Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Gesang) klingt das Ergebnis wie live eingespielt.
Der utopische Wunsch eines Kompositionsstudenten in den 1970er Jahren ist damit noch nicht vollständig erfüllt.
Lautstärken, Klangfarben und Artikulationen müssen oft nachträglich (oder immer wieder zwischendurch) justiert werden.
Singstimmen sind per se so persönliche Instrumente, dass ich mir nicht vorstellen kann, einen gesungenen Text aus
einer Sound-Datenbank halbwegs befriedigend zu generieren.
Aber die Entwicklung geht ja weiter . . .
Der hier geschilderte Prozess hat dazu geführt, dass Musiker / Musikerinnen für meine Kompositionen als Ausführende
nur in der Vergangenheit bei der Erstellung von Sound-Datenbanken beteiligt sind. Und das führt andererseits auch
dazu, dass die Komplexität insbesondere meiner neuesten Kompositionen zunimmt.
In dieser Art „Rückkopplungsschleife” liegt ein Paradigmenwechsel nahe: Wenn ich aufhöre nach
Musiker*innen zu suchen, die das spielen wollen und können, warum muss ich dann auf Beschränkungen der Spielbarkeit
oder auch des Instrumentes achten?
Tatsächlich sind also Zyklen wie Über Wasser oder einander eher elektronische Musik, auch wenn sie
– scheinbar – mit akustischen Instrumenten besetzt sind.
Ihre Aufführung geschieht über Lautsprecher oder Kopfhörer, sie könnten aber selbstverständlich live
aufgeführt werden.
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