11 'fifty−two
Geschichte
Als ich 11 'fifty−two 1982 / 83 schrieb, war ich noch Student an der
Folkwang Hochschule in Essen. Und hier
ist der Moment für eine freundschaftliche und ehrende Verbeugung vor meinem Lehrer
Wolfgang Hufschmidt,
der in seiner besonderen Art unsere Ohren nicht nur für die Musik anderer Komponisten sondern auch für das Schaffen
unserer eigenen Musik geöffnet hat. Folgerichtig bezieht sich 11 'fifty−two sowohl auf Earle Browns Partitur
als auch auf Arbeiten und Ideen anderer Komponisten, die während meiner Studienzeit auf dem Tisch lagen.
Wolfgangs Vorschlag folgend, für mein Examen mal „etwas Großes” zu machen, griff ich eine Idee wieder
auf, die mir während einer Kooperation mit meinem Freund Hans Werner Schneider über Earle Browns December 1952
gekommen war: Nov. '52 für großes Orchester zu setzen.
Von Anfang an hatte ich nicht die Absicht, das Orchester auf konventionelle Weise zu behandeln, und die Konsequenzen
daraus waren mir damals recht egal – mein Ziel war das Examen, und das Stück kam auch gut durch die Prüfung.
In jenen Tagen war die Erstellung einer Partitur noch eine handschriftliche Arbeit; das Kolloquium bedeutete die
Ziellinie für einen Marathon, in dem ich 30 Minuten Musik für bis zu 80 Musiker geschrieben hatte, alle Stimmen
solistisch besetzt, mitunter in kniffligen Konstellationen.
Da stand die Musik nun auf ihrem Papier, jedoch war kein Orchester in Sicht, keinerlei Mittel, 11 'fifty−two
zu akustischer Existenz zu verhelfen.
Das Leben ging weiter, und die Partitur lag etwa 27 Jahre lang in 3 großen Mappen auf verschiedenen Regalbrettern . . .
Allerdings haben sich die Zeiten geändert: computerunterstützte Notation und Musikproduktion sind nicht nur möglich
sondern auch erschwinglich geworden. Obwohl eine gelungene Live-Darbietung immer noch die Krönung der
kompositorischen Arbeit ist, bietet sich mit der digitalen Realisierung nun eine Alternative für Werke, die es
– aus welchen Gründen auch immer – nicht auf die Bühne schaffen.
So holte ich 11 'fifty−two vom Regal herunter und unterzog es einem Post-Produktionsprozess (s. Produktion).
Das Ergebnis ist ein 5.1 „home theater mix”, der der Dialektik von Genauigkeit und Lebendigkeit
unterworfen ist. Es bleibt ein Orchesterstück, viel Aufwand ist getrieben worden, damit es so „echt”
wie möglich klingt – andererseits konnten rhythmische Strukturen von hoher Komplexität mit einer Exaktheit
realisiert werden, die wirklich spielende Musiker nicht erreicht hätten; außerdem war es möglich, den Parameter
Raum in einer Weise zu modellieren, die in einer Live-Aufführung nicht möglich wäre.
Ich beanspruche damit nicht, „avantgarde” oder revolutionär zu sein – diese Produktionstechniken
sind in der Pop- und Filmmusik über Jahrzehnte entwickelt und genutzt worden.
Einige Musiker fühlen sich vielleicht durch das Verwenden von Instrumentalklängen aus Sound-Libraries unangenehm
berührt – ich habe da eher einen pragmatischen Ansatz: Ich bin froh, das Stück überhaupt zum Klingen gebracht
zu haben, und mir gefällt, was ich höre. Möge jeder selbst entscheiden . . .
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